Hintergrund Informationen zur Interviewpartnerin:
Amina Jauschowetz ist 25 Jahre alt und Leiterin\Eigentümerin eines privaten Pflegeheims in der Steiermark. Sie engagiert sich seit Längerem in der Politik und ist bei der FPÖ aktives Parteimitglied. Die Corona-Krise hatte auch Auswirkungen auf den beruflichen Alltag von Amina. Im Interview erzählt sie uns mehr dazu.
Das Interview:
1. Corona kam für einige recht überraschend. Hast du persönlich mit solche einer Entwicklung gerechnet?
- Nein, mit solch einer Entwicklung hätte ich nicht gerechnet. Hätte nicht geglaubt, dass es zu uns nach Österreich kommt.
2. Inwiefern hat Corona deinen Arbeitsalltag beeinflusst? (Arbeitszeit, Personal besonders die Lage mit Arbeitskräften aus dem Ausland)
- Corona hat unseren Arbeitsalltag sehr beeinflusst. Wir haben jeden Tag Nachrichten bekommen, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht mehr über die Slowenischen und Ungarischen Grenzen kommen.
- Wir mussten Krisenpläne erstellen und nach denen wird bis jetzt gearbeitet.
- Dann wollte das Land für kurze Zeit, dass wir in unserem Pflegeheim noch zusätzlich Betten einschieben für Menschen die von der 24 Stunden Pflege betreut werden.
- Da wir 2 Betten leer hatten, mussten wir diese trotz Corona besetzten natürlich nur mit dem Test, der musste natürlich negativ sein. Diese 2 Damen mussten wir dann 14 Tage komplett isolieren und unter Quarantäne stellen. (Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch nicht mal die richtigen Mundschutzmasken)
- Corona hat uns psychisch sehr auf die Probe gestellt und mich als PDL an meine Grenzen gebracht . Kaum hat man was fertig gemacht kamen schon wieder die nächsten Anordnungen.
- Bei den ausländischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen war auch jedes Mal was Neues, mal ein ärztliches Artest, dann war das wieder ungültig. Dann eine Bestätigung, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei uns Arbeiten, auch das war dann wieder hinfällig. Kurze Zeit hieß es, dass alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einen Corona Test an der Grenze vorweisen müssen, sonst dürfen sie nicht einreisen. Zu dieser Zeit hat aber kein Arzt und keine Ärztin einen Test vorgenommen. Das kommt erst alles jetzt. Eine Mitarbeiterin aus Ungarn reiste immer mit dem Koffer hin und her, weil sie nie wusste ob sie Einreisen darf oder nicht. Einmal haben Sie sie an der ungarischen Grenze zurückgeschickt und gesagt, sie darf nur mehr durch ein Land reisen, sonst darf sie in Ungarn nicht einreisen.
3. Wie wird die Lage von den Patienten und Patientinnen in deinem Betrieb verkraftet? (Kein Besuch, psychologische Betreuung etc.)
- Anfangs war es sehr hart für unsere Bewohner und Bewohnerinnen. Viele haben immer geweint, weil sie es einfach nicht verstanden haben, dass keiner kommen darf.
- Besonders Bewohner die an Demenz erkrankt sind, leiden darunter sehr. Sie brauchen besonders viel Zuneigung und Berührungen. Da hilft das ganze Reden nicht. 2 Meter Sicherheitsabstand in der Pflege, wie soll das gehen? Bei der Körperpflege bei Toilettengängen 2 Meter auf Abstand gehen wird sicher gut funktionieren. Mit Mundschutzmasken zu einem Bewohner hin gehen? Die haben panische Angst, weil sie diejenige Person nicht erkennen. Da würden Sie nicht mal eine Pflege zulassen?
- Wir haben dann über WhatsApp Video-Telefonie eingeführt, dies funktioniert gut und wird auch gut angenommen.
- Wir posten in dieser Zeit natürlich auch mehr Bilder auf unserer Facebookseite, dass die Angehörigen sehen, dass es Ihnen auch gute geht.
4. Was ist deine Meinung zu solidarischen Aktionen wie z.B. gemeinsames Klatschen um 18 Uhr um allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Gesundheitsbereich zu danken?
- Davon halte ich absolut nichts.
- Auf die Pflege hat vorher auch kein Mensch geschaut, es war einfach immer alles selbstverständlich. Und wenn die Pflege mal was gebraucht hat, bekamen wir auch keine Unterstützung. Deshalb kann man sich die Klatscherei sparen, davon haben wir eh nichts.
5. Wurde Kurzarbeit in eurem Betrieb in Anspruch genommen?
- Nein
6. Was ist deine Meinung zur Handhabung der Krise unserer Regierung? Was haben sie gut gemacht, was eher schlecht?
- Anfangs fand ich es gut, dass die Regierung so gehandelt hat
- Jetzt finde ich es einfach nur mehr schlimm und übertrieben.
- Die Überwachungsapp und die Impflicht geht einfach zu weit. Jeder ist Selbstbestimmt und kann über seine Gesundheit selber entscheiden, das braucht mir kein Politiker und Politikerin vorgegeben.
- Siehe da Beispiel Schweden, die haben das alles gut ohne Komplettisolierungen gemeistert und die Todesrate bei 10 Millionen Einwohner ist im Normbereich.
- Bei uns in Österreich war der Großteil nur Panikmache und sonst gar nichts. Kanzler Kurz hat Aussagen getätigt die ich sehr schlimm finde. („Bald wird jeder einen kennen der an Corona verstorben ist oder erkrankt ist“) Ist bei mir nicht der Fall.
- Momentan gibt es nur Corona Tote, keiner stirbt mehr an Krebs oder Altersschwäche. Menschen die an einem natürlichen Tod sterben werden automatisch in dieser Statistik geführt. Finde ich absolut nicht richtig.
- In den Spitälern ist die Grundversorgung nicht gewährleistet, LKH Radkersburg geschlossen haben nur ein paar medizinische Betten belegt. Da es freigehalten wird als 5. Corona Spital. Die anderen Spitäler sind auch nicht voll mit Coronafällen, deshalb könnte das LKH Radkersburg wieder den normalen Betrieb aufnehmen.
- Alle Untersuchungen die geplant waren, mussten alle abgesagt werden.
7. Was hältst du von den Lockerungen die bereits eingetreten sind und jenen die in den nächsten 2 Wochen folgen werden?
- Manche wurden einfach benachteiligt. Z. B. McDonalds durfte aufmachen und ein heimischer Gastwirt leidet noch immer an dieser Situation.
- Es wird alles vorgeschrieben wie man was machen darf und soll.
- Man muss mit Mundschutz einkaufen gehen, wobei der Mundschutz schlimmer ist wie alles, da es die Gesundheit massiv gefährdet.
8. Wie funktioniert die Versorgung mit Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel durch die Regierung?
- Dann müssen wir bis heute Evaluierungsbögen an das Land schicken, 1-mal pro Woche, wo man Hygiene Artikel und vor allem Mundschutzmasken FFP3 bestellen kann. Wir haben erst vor 2 Wochen die richtigen Masken zur Verfügung gestellt bekommen. Vorher mussten wir improvisieren, da wir auch nichts erhalten haben vom Land. Meine Mitarbeiterin ist zu Hause gesessen und hat Mundschutzmasken genäht.
- An Schutzausrüstungen hatten wir fast gar nichts. (Keine OP-Mäntel, keine FFP3 oder FFP2 Mundschutzmasken, keinen Augenschutz, keine Kopfbedeckung) alles wurde angefordert erhalten haben wir nichts.
- Kein Desinfektionsmittel mehr, wir bekamen dann Nachschub von der Apotheke, weil alles ausverkauft war. Nicht mal der Einmalmundschutz war lieferbar, den wir aber so auch immer bestellen müssen da wir eine Bewohnerin haben die MRSA positiv ist und wir ohne Schutz nicht ins Zimmer gehen dürfen.
9. Systemrelevante Berufe sind vor allem Berufe in jenen Frauen arbeiten (Supermarkt, Gesundheitswesen, Bildungswesen) welche oft auch Betreuungspflichten gegenüber den Kindern haben. Wie sieht die Geschlechterverteilung unter deinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus und wie wird mit Betreuungspflichten durch Schließung der Schulen umgegangen?
- Wir haben bunt gemischtes Personal, also Männer und Frauen
- Es musste nur eine Mitarbeiterin mit den Stunden reduzieren da sie keine Betreuung für ihre Kinder hatte.
- Bei den anderen war es gut geregelt da der Großteil der Männer zu Hause war
10. Die Gewerkschaftsforderung des Pflegebereiches war von der Krise eine 30 Stunden Woche. Nun wurde ihnen eine Reduktion um 1,5 Stunden in 2 Jahren versprochen, was dann einer 35 Stunden Woche entsprechen würde. Was hältst du von der Forderung einer 30 Stunden Woche und wie siehst du das Ergebnis von einer 35 Stunden Woche in 2 Jahren?
- Bei Personalmangel der bereits eh schon ist in der Pflege ist, ist es nicht angebracht.
11. Wie viel ausgebildetes Personal (Pflegekräfte, ärztliches Personal) steht in deinem Betrieb pro Patient/in zur Verfügung?
- Das variiert, da es sich immer nach den Pflegestufen richtet.
Anmerkungen von re-think:
Das Interview umfasst in der Originalfassung noch weitere Fragen, die von der Interviewpartnerin nicht beantwortet wurden. Folgende Fragen standen noch in der Originalfassung:
12. Gibt es Möglichkeiten wie Individuen dem Gesundheitssektor helfen können?
13. Durch die Corona-Krise haben sehr viele Menschen ihren Job verloren und das Armutsrisiko hat sich somit in unserer Gesellschaft vervielfacht. Wie könnte man dem deiner Meinung nach entgegen wirken und was hältst du von Ideen wie dem bedingungslosen Grundeinkommen?
14. Corona ist hoch ansteckend, weshalb Menschenansammlungen vermieden werden sollen. In gewissen Flüchtlingslagern am Rande Europas ist dies nicht möglich. Wie hoch schätzt du das Risiko in diesen „Zeltstädten“ ein?
15. Vergleicht man die internationalen Zahlen, wird deutlich das westliche Länder oft mehr Infektionen und Todesopfer haben als asiatische Länder. So hat Vietnam beispielsweise immer noch 0 Todesfälle obwohl die geographische Lage weit näher an China ist. Kommunistische Länder wie Kuba oder Vietnam stellen sowohl medizinisches Personal als auch Ressourcen für westliche Länder wie Italien zur Verfügung. Handeln kommunistische Länder deiner Meinung nach besser in dieser Krise? Waren sie deiner Meinung nach besser auf eine Pandemie vorbereitet?
16. Das Robert-Koch-Institut hat im Auftrag der deutschen Bundesregierung 2013 einen Bericht veröffentlicht, indem sie vor einer möglichen Corona Pandemie warnen. Das Institut beschreibt ein Szenario, indem ein Corona Virus aus China eine weltweite Pandemie auslöst. Findest du jene Warnungen und Berichte wurden von Europa zu wenig ernst genommen? (Mehr Informationen zum Bericht: https://www.derstandard.de/story/2000116144720/die-corona-prophezeiung-der-deutschen-regierung?ref=artwh)
re-think hat dieses Interview durchgeführt und die Fragen dafür zusammengestellt. Die Antworten stammen von der Interviewpartnerin und entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung von re-think. Bei Fragen an re-think oder die Interviewpartnerin einfach ein Kommentar hinterlassen.