Ich verstehe, dass man Wesen beschützen möchte, die sich selbst nicht beschützen können. Aber ich möchte den selbsternannten Lebensschützern und Lebensschützerinnen ans Herz legen, doch lieber im Tierschutz aktiv zu werden. Diese Wesen haben auch keine eigene Stimme und brauchen dringend Menschen, die sie schützen. Du bist ein Lebensschützer oder eine Lebensschützerin und kannst dich ganz stark mit der „ProLife“ Bewegung identifizieren? Gut, dann lass uns diskutieren warum der Tierschutz dich mehr braucht als ungeborene Menschen:
1. Moralische Gründe
Die ProLife Bewegung schreibt sich oft Moral und Ethik auf die Fahnen. Ihr Argument ist: Abtreibung ist Mord. Dementsprechend ist Abtreibung für ProLife Anhänger und Anhängerinnen moralisch nicht vertretbar. Das kann ich gut verstehen, immerhin finde ich auch das Mord nicht moralisch vertretbar ist. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das Argument „Abtreibung ist Mord“ aber nicht haltbar. Die Biologie ist sich hier recht einig. Trotzdem möchte ich das Argument nicht als Non-Sense abtun, da doch etwas Wahres darin steckt. Denn auch wenn es wissenschaftlich gesehen nicht stimmt, kann die Aussage „Abtreibung ist Mord“ für das Individuum stimmen. Das bedeutet, wenn ein Mensch wirklich daran glaubt, dass Abtreibung Mord ist, dann ist es für diesen Menschen auch die Wahrheit. Dementsprechend ist es die Lebensrealität des Menschen.
Vergleichbar ist das ganze mit dem Glauben an Gott. Für einen Menschen der an Gott glaubt, existiert Gott wirklich. Dieser Mensch richtet sein Leben nach Gott, was Gott wiederum zu einer Lebensrealität für diesen Menschen macht. Für den Ungläubigen ist Gott keine Lebensrealität. Dieser Mensch betet weder, noch geht er in die Kirche. Gott existiert also für diejenigen, die an ihn glauben. Unsere individuellen Realitäten sind also unterschiedlich. Das bedeutet, dass Abtreibung durchaus Mord sein kann, wenn das Individuum daran glaubt. Die Entscheidung ob Abtreibung okay ist oder nicht, obliegt somit immer dem Individuum. Für die einen ist es Mord, für die anderen nicht.
Den moralischen Zeigefinger zu heben und zu behaupten, Abtreibung wäre immer Mord, ist daher etwas unpassend. Faktisch gesehen ist es nämlich kein Mord, auch wenn es für gewisse Individuen gefühlstechnisch einem Mord gleich kommt. Der Punkt ist jedoch, dass niemand Frauen zwingen wird abzutreiben, die davon ausgehen, dass es Mord ist. Andererseits werden Frauen aber dazu gezwungen Kinder auszutragen, wenn Abtreibung kriminalisiert wird. Wenn also über moralische Hintergründe gesprochen wird, verstehe ich nicht wie individuelle Wahlfreiheit abgelehnt werden kann, aber der Zwang Kinder auszutragen als ethisch vertretbar gilt.
Wer also moralische Beweggründe hat, sollte hier lieber Tiere schützen. Immerhin ist bei lebenden Tieren nicht fraglich, ob sie Lebewesen sind oder nicht. Auch wissen wir, dass Tiere in unserer Produktion massiv ausgenutzt und brutal behandelt werden. Wer also meint, Abtreibung sei aus moralischen Gründen zu verbieten, sollte lieber eindeutigere moralische Verstöße bekämpfen als in individuellen Grauzonen zu fischen.
2. Religion
Sehr oft verschwimmen in dieser Debatte moralische und religiöse Begründungen. Dies zeigt sich zum Beispiel schon darin, dass das Argument „Abtreibung ist Mord“ so präsent ist. Wie schon erwähnt, ist dieses Argument faktisch nicht haltbar, doch Religion und Fakten waren noch nie Freunde. Daher möchte ich religiöse Bedenken auch nicht mit Wissenschaft und Fakten mildern, sondern religiöse Bedenken mit Religion gegenargumentieren.
Soweit ich weiß ist es nicht die Aufgabe des Menschen zu urteilen, sondern die Aufgabe Gottes. Gott ist die Instanz die über die Menschen urteilt. Nur Gott entscheidet, ob jemand Strafe verdient hat, oder nicht. Gott ist der Richter, nicht wir. Wenn wir also über Frauen urteilen, welche eine Abtreibung vorgenommen haben, ist das nicht im Sinne des Christentums. Wenn wir diese Frauen sogar bestrafen, betreiben wir einen blasphemischen Akt, denn wir stellen uns auf eine Stufe mit Gott.
Gott ist also unser Richter, der entscheidet welche Strafe gerecht ist. Glaubt man nun also an Gott, muss man auch daran glauben, dass Frauen die abtreiben ihre gerechte Strafe bekommen werden. Ob Gott diese Frauen nun im Leben oder im Tod strafen will, bleibt ihm überlassen. Wenn wir die Urteile sprechen und wir die Bestrafung ausführen, stellen wir uns über Gottes Urteil. Nur Gott ist allwissend, also weiß auch nur er welche Strafe angebracht wäre. Anzunehmen, dass ein „einfacher“ Mensch urteilen darf wie Gott, ist Hochmut. Bekanntlich ist Hochmut eine Todsünde, was bedeutet, dass man selbst kein guter Mensch ist.
Ist Abtreibung in Gottes Augen Mord, ist Abtreibung ein Verstoß gegen die 10 Gebote. Solch ein Verstoß wird von Gott geahndet, meist mit einem All-Inclusive Ticket in die Hölle. Ich plädiere also dafür, dass diejenigen die an Gott glauben, auch ihn über seine Schäfchen urteilen lassen.
3. Die Natur
Gerade religiöse Vertreter*innen der ProLife Bewegung kommen sehr oft mit dem Argument: Abtreibung ist gegen Gott. Die Phrase gegen Gott bedeutet in diesem Kontext oft, dass Abtreibung widernatürlich ist. Es ist somit nicht normal.
Diese Anschauung basiert oft auf Genderstereotypen in denen jede Frau die geborene Mutter ist. Eine Frau, die also keine Kinder will, ist nicht normal und widernatürlich. Natürlich ist das nicht wirklich die Wahrheit. Menschen sind sehr komplex und jeder Mensch ist anders. Zu behaupten jede Frau möchte sich fortpflanzen ist einfach falsch. Spannend daran ist, dass nicht behauptet wird jeder Mensch hätte den Drang sich fortzupflanzen, sondern nur Frauen. Männer können entscheiden keine Kinder zu wollen und werden dadurch nicht weniger Mann. Im Gegenteil, Männer die sich nicht fortpflanzen wollen, erhalten einmalige Karrierechancen in reichen Institutionen wie der Kirche. Zu behaupten Menschen hätten einen Fortpflanzungsdrang wäre wohl richtig, aber zu meinen dass nur 50% der Menschen diesen Drang haben ist lächerlich.
Ich persönlich würde nicht einmal behaupten, dass es ein Fortpflanzungsdrang ist, sondern ich würde meinen dieser Drang entsteht deshalb, weil sich Sex gut anfühlt. Die Natur hat sich dabei schon etwas gedacht. Rein nach dem Motto: macht es Spaß, werden sie es schon tun. Die eigentliche Fortpflanzung ist ja oft gar nicht erwünscht. Die Pille oder das Kondom sind Beweismittel dafür, dass es dem Menschen nicht um Fortpflanzung, sondern um Spaß geht. Die Konsequenzen des Spaßes, die Schwangerschaft, können nämlich verheerend sein. Eine Schwangerschaft ist immer ein Risiko, welches bis zum Tod führen kann. Es ist ein massiver Eingriff und nicht nur Frauen entscheiden aktiv, ob es das Risiko wert ist, sondern auch Tiere.
Ja, Tiere treiben ab.
Das mag jetzt für einige ein Schock sein, doch die Natur ist weit brutaler als wir sie uns vorstellen. Wir haben eine idealisierte Haltung der Natur gegenüber eingenommen. Wir meinen die Natur ist schön und fair und nahezu perfekt. Also alles was wir Menschen verlernt haben. Die Wahrheit ist aber, dass die Natur genauso brutal ist wie wir Menschen auch. Tiere vergewaltigen, Tiere töten und Tiere treiben ab.
Wie auch beim Menschen hat die Abtreibung verschiedenste Ursachen. Entweder sind die Gene der Nachkommen nicht fit genug oder die äußeren Umstände lassen keinen Nachwuchs zu. Bei Menschen sind es oft Frauen in finanziellen Nöten, die eine Abtreibung in Anspruch nehmen. Finanzielle Nöte bedeuten beim Menschen einen unsicheren Lebensraum. Wer kein Geld hat, stirbt in einer kapitalistischen Gesellschaft. Wenn eine Frau also abtreiben möchte, weil sie sich das Essen für ihr Kind nicht leisten könnte, trifft sie eine rationale Entscheidung. Die Schwangerschaft wäre ein Energieaufwand und ein Risiko für die Mutter. Dieser Aufwand wäre komplett umsonst, wenn das Baby kaum geboren an Hunger stirbt. Ähnlich handeln auch Tiere. Sind die Umstände schlecht (z.B. wenig Nahrungsangebot, problematische Klimabedingungen) kommt es zu verschiedenen Formen der Abtreibung.
Abgesehen von Fehlgeburten, die im Grunde nur eine „natürliche Abtreibung“ sind, gibt es noch andere Arten wie Tiere abtreiben. Kühe fressen zum Beispiel den Wacholderbaum, dessen Inhaltsstoffe abtreibend wirken. Bei Affen konnte man den sogenannten „Bruce Effekt“ beobachten, wobei weibliche Affen abtreiben wenn ein neues Männchen die Führungsposition bekommt. Bei Vögeln funktioniert eine „Abtreibung“ noch leichter, da die Leibesfrucht außerhalb des Körpers in einem Ei wächst. Wenn das Ei also nicht vielversprechend ist, wird es von den Vogeleltern einfach aus dem Nest geworfen. Wem diese Beweise der „Geburtenkontrolle“ bei Tieren nicht reicht, kann sich auch gerne mit der Tatsache auseinander setzten, dass Tiere manchmal ihre Babies gleich nach der Geburt töten. Wenn Abtreibung keine Option ist, werden eben die Neugeborenen getötet. So brutal ist unsere Welt nun mal.
Fazit
Abtreibung und Geburtenkontrolle sind somit ganz natürlich. Nicht nur Menschen praktizieren es, sondern auch Tiere. Wenn man selbst anders gegenüber Abtreibung eingestellt ist, ist das vollkommen okay. Wenn eine Frau glaubt Abtreibung sei Mord, dann ist es für sie auch so. Aus diesem Grund wird diese Frau niemals abtreiben und es wird sie auch niemand dazu zwingen.
Es ist jedoch moralisch sehr verwerflich, dass Frauen dazu gezwungen werden Kinder auszutragen, die sie nicht wollen. Sie wollen die Kinder aus verschiedensten Gründen nicht, oder jeder Grund ist legitim. Man könnte sagen, die Natur hat das Weibchen (in manchen Fällen auch das Männchen, wie bei Seepferdchen) dazu programmiert, abzuwiegen ob es die Schwangerschaft wert ist oder nicht. Wie gesagt ist eine Schwangerschaft ein enormer Energieaufwand und immer ein Risiko, und selbst die Natur findet, dass es nicht immer das Risiko wert ist. Es gibt enorm viele Fehlgeburten, wo ein befruchtetes Ei „natürlich“ abgetrieben wird, weil es den Aufwand nicht wert ist.
Fortpflanzung ist beim Menschen eine rationale Entscheidung. Also sollte jeder selbst die Entscheidung treffen dürfen, ob Kinder gewünscht sind oder nicht. Und schon gar nicht sollten Männer über das Fortpflanzungsverhalten von Frauen bestimmen dürfen. Jedem und Jeder obliegt die Enscheidung selbst & sollte es Gott geben, wird er für die gerechte Strafe sorgen 😉
Gemeinsam sind wir stark: Unterstütze re-think!
In der ersten Phase der Schwangerschaft kann man sagen, dass aus wissenschaftlicher Sicht massive ethisch bedeutsame Unterschiede zwischen einem Embryo und einem geborenen Menschen bestehen, insbesondere das Fehlen von Emfindungsfähigkeit und Persönlichkeit. Aber spätestens wenn die Phase erreicht ist, in der Frühgeborene versorft werden, ist es definitiv ein Mensch und dem Selbstbestimmungsrecht der Mutter über den eigenen Körper wäre mit einer künstlich eingeleiteten Frühgeburt Genüge getan.
Mord ist wie Glauben an Gott. Ist es für mich kein Mord, ist es kein Mord. xD
Ist mein Daumen für mich kein Daumen, ist es kein Daumen.
„Faktisch“ gesehen ist es nämlich kein Mord. Bitte Fakten nennen.
Und Tiere vergleichen mit „ich habe keine Lust auf ein Baby“ – Top!
Und Tiere (der gleichen Art) töten sich gegenseitig für den Machtkampf… also sollten Menschen das doch auch dürfen xD (same logic here 😉 ) RE-THINK pls